Vertreter des politischen und gesellschaftlichen Lebens haben die Leistungen des Vorsitzenden der Jüdischen Landesgemeinde Thüringens, Reinhard Schramm, zu seinem 80. Geburtstag gewürdigt. Gleichzeitig machten sie auch auf den wieder erstarkten Antisemitismus aufmerksam.
Schramm habe maßgeblich dazu beigetragen, das jüdische Leben in Thüringen wieder zu beleben, sagte der Präsident des Zentralrats der Juden, Josef Schuster, am Mittwoch in Erfurt beim Geburtstagsempfang. Dabei habe sich Schramm trotz aller Widerstände stets von Hoffnung leiten lassen, von «Hoffnung auf Veränderung, Hoffnung auf Verbesserung».
Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) betonte, Schramm gehe es nie ausschließlich um den Schutz von Juden und des jüdischen Lebens - sondern den Schutz aller religiösen Minderheiten. Dafür setze er sich seit Jahren mit viel Nachdruck ein. «Auch wenn Du als friedlicher Mahner giltst: Du kannst sehr deutlich sein», sagte Ramelow zu Schramm. Der Ministerpräsident erinnerte laut Mitteilung auch an den Angriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023. Seit diesem Tag lebten Menschen mit jüdischem Glauben auch in Thüringen in Angst. Schramm biete denjenigen die Stirn, die die Demokratie aushöhlten. «Er setzt gesellschaftlich starke Zeichen für Frieden, Freiheit und Vielfalt.»
Neben Schuster und Ramelow nutzten auch andere Vertreter der Landespolitik sowie des religiösen Lebens in Deutschland den Geburtstag Schramms, um vor dem wiedererstarkenden Antisemitismus zu warnen. Er sehe eine zunehmende Verharmlosung des Hasses auf Juden, aber etwa auch auf Sinti und Roma, sagte etwa der Vorsitzende des Zentralrats deutscher Sinti und Roma, Romani Rose. Gegen diese Verharmlosung kämpfe auch Schramm immerfort an, ohne die Vergangenheit in Form einer Auseinandersetzung in die Gegenwart zu holen. «Du hast die Vergangenheit zur Verantwortung für die Gegenwart gemacht», sagte Rose zu Schramm.
Der ehemalige Hochschullehrer Schramm steht seit 2012 an der Spitze der Jüdischen Landesgemeinde Thüringens, zu der heute mehrere Hundert Jüdinnen und Juden gehören. Viele von ihnen sind aus der 1991 untergegangenen Sowjetunion ins Land gekommen.
Als Kleinkind versteckt, als Junge Familiengeschichte entdeckt
Schramm wurde am 22. Mai 1944 als Kind einer jüdischen Mutter und eines christlichen Vaters in Weißenfels in Sachsen-Anhalt geboren. Kurz vor Kriegsende versteckte sein Vater ihn und seine Mutter erst in einer Bodenkammer und dann bei Freunden. Außer seiner Mutter und ihm wurden alle jüdischen Mitglieder von Schramms Familie während der Shoa ermordet.
«Meine Mutter hatte mit der Ermordung unserer Angehörigen ihren Glauben an Gott verloren», sagte Schramm am Mittwoch. Als er sie im Alter von sieben Jahren nach Gott gefragt habe, habe sie mit der Frage geantwortet: «Wo war denn Gott gewesen?» Erst viel später habe seine Mutter wieder das Bedürfnis gehabt, eine Synagoge zu besuchen.
Schramm wuchs in der DDR auf, studierte Elektrotechnik, wurde Professor der Technischen Universität Ilmenau. Von seiner jüdischen Familiengeschichte erfuhr er laut Staatskanzlei erst im Alter von zehn Jahren: Damals entdeckte er im Kleiderschrank seiner Mutter Dokumente und Briefe von Verwandten aus dem Gefängnis und dem Konzentrationslager.
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