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Thüringens neuer Landesdatenschutzbeauftragter warnt vor Risiken und Chancen bei Bereitstellung von Gesundheitsdaten

Tino Melzer, Jurist, steht nach der Wahl zum neuen Thüringer Datenschutzbeauftragten im Plenarsaal des Thüringer Landtags. / Foto: Martin Schutt/dpa
Tino Melzer, Jurist, steht nach der Wahl zum neuen Thüringer Datenschutzbeauftragten im Plenarsaal des Thüringer Landtags. / Foto: Martin Schutt/dpa

Schon bald soll die Forschung in Deutschland von Millionen Gesundheitsdaten profitieren. Der Thüringer Datenschutzexperte Tino Melzer sieht aber noch offene Fragen - und viel Arbeit für seine Behörde.

Thüringens neuer Landesdatenschutzbeauftragter Tino Melzer sieht im Bereitstellen von großen Mengen Gesundheitsdaten für die Forschung Chancen, aber auch Risiken. «Ich bin davon überzeugt, dass personalisierte Medizin ein großer Gewinn für die Gesellschaft sein kann», sagte Melzer der Deutschen Presse-Agentur in Erfurt. Aber es bestünden auch Risiken großer Datensammlungen, Profilbildungen und einer Unübersichtlichkeit für die Menschen.

Hintergrund sind Pläne von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD), dass Millionen Patientinnen und Patienten wichtige Gesundheitsdaten wie Befunde und Laborwerte bald standardmäßig in einer elektronischen Akte parat haben sollen. Alle gesetzlich Versicherten sollen ab 2025 E-Patientenakten bekommen, wenn sie nicht aktiv ablehnen und Widerspruch einlegen. Melzer bezeichnete dies als «Paradigmenwechsel im deutschen Recht». «Das sind Gesundheitsdaten, sehr sensibel, absolut zu schützen.»

Lauterbachs Pläne sehen auch vor, dass in großem Stil Daten gesammelt und der Forschung verfügbar gemacht werden. Dabei sollen die Daten der Patientinnen und Patienten pseudonymisiert und dadurch geschützt werden.

Melzer mahnte dabei mehr Transparenz an. Wenn schon die Widerspruchslösung gewählt werde, müsse transparent mitgeteilt werden, um was es gehe und wer welche Daten bekomme. «Das ist ein Appell an den Bund, aber auch an die Krankenkassen, in bestmöglich einfacher und leichter Sprache zu informieren.»

Melzer warnte auch vor den Grenzen der Pseudonymisierung, die nichts daran ändere, dass es um personenbezogene Daten gehe. Wenn der Datensatz immer weiter anwachse, könne das Risiko bestehen, dass die Pseudonymisierung dadurch aufgehoben werde. Melzer nannte ein fiktives Beispiel: ein 42 Jahre alter und an Brustkrebs erkrankter Mann in Thüringen. «Das ist so selten. Da bekommen Sie relativ schnell ein Gefühl dafür: Wer ist das, wo wohnt der, wie geht es ihm?»

Der Experte sieht viel Arbeit auf seine Behörde zukommen. Dabei gehe es nicht nur um die Bearbeitung von Bürger-Fragen, sondern auch um Kontrolle: «Werden die Widersprüche bearbeitet, werden sie auch umgesetzt, was passiert mit den Daten? Das wird zwangsläufig zu einem erhöhten Arbeitsaufkommen bei den Landesdatenschutzbehörden führen», sagte er.

Für Bürger stellten sich noch viele Fragen: «Was ist, wenn ich das nicht möchte, wird das vom Widerspruch umgesetzt? Welche Forschungseinrichtungen haben eigentlich meine Daten?», sagte Melzer. «Es gibt ja auch die Möglichkeit, dass der Bürger sagt: Für diese Forschung stelle ich die Daten bereit, aber Forschung, die dazu führt, die Giftspritze in den USA zu unterstützen - das möchte ich nicht.» Es sei auch noch nicht klar, wie sich das für die Aufsichtsbehörden auswirke.

Lauterbachs Pläne sehen auch vor, dass Patienten über Zufallsfunde informiert werden können. Krankenkassen sollen ihren Mitgliedern Hinweise geben können, wenn bei Forschungen ein gesundheitliches Problem erkenntlich wird. Eine Frage sei dann, was passiere, wenn man sich trotzdem nicht kümmere. «Bekomme ich dann Briefe von der Krankenkasse?», fragte Melzer. Ableitungen zum Nachteil der Bürger soll es nicht geben. «Aber es bleibt die Möglichkeit, dass Daten dort zusammenfließen. Wir haben ja eine ganze Lebensbiografie, die dann digitalisiert ist.» In der analogen Welt hätte man seinem Arzt sagen können, dass man rauche - ohne dass die Krankenkasse das sofort erfahren hätte. Melzer sagte, es müsse klare Diskriminierungsverbote geben.

Nicht immer seien Zufallsfunde erwünscht. «Auch dort muss klar sein, dass es Bürger gibt, die das nicht wollen», sagte er. Als fiktives Beispiel nannte er einen 98 Jahre alten Mann, bei dem sich Hinweise verdichteten, dass es nach einem guten Leben auf das Ende zugehe. Nun bekomme er einen Hinweis auf Prostatakrebs. Springe die komplette Krebsbehandlung an, könne es sein, dass Lebensqualität verloren gehe, obwohl er vielleicht gar nicht an dem Krebs sterben würde, sondern an etwas anderem.

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