Die Geschäftsführerin der Nordostchemie-Verbände, Nora Schmidt-Kesseler, hat Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) zum schnellen Handel im Sinne der Branche aufgefordert. «Was gebraucht wird, ist ein Machtwort. Ein Kanzlerwort. Wenn ein Operateur vor einem Patienten in kritischem Zustand steht, muss er ja auch loslegen und nicht noch mit dem Nebenstehenden darüber diskutieren, ob der Handschuh richtig sitzt», sagte die Schmidt-Kesseler der Deutschen Presse-Agentur. Hohe Energiekosten, Versorgungssicherheit und Regulatorik stellten derzeit «enorme Hindernisse» dar. Insgesamt zählt die Branche in Ostdeutschland rund 49.000 Beschäftigte.
In der Vergangenheit sei die Ampelregierung bestehend aus Grünen, FDP und SPD oft Wege gegangen, die die Branche nicht gutheiße, sagte die Verbandschefin. «Erst Entscheidungen treffen, dann massive Kritik ernten, dann Zuhören. Die Prozesse müssen andersherum laufen. Wir müssen endlich in die Umsetzung kommen und die Rahmenbedingungen schaffen, die unsere Unternehmen brauchen.»
Konkret heiße das: Strompreise wettbewerbsfähig machen, Bürokratie und Überregulierung abbauen, das Steuersystem reformieren und gezielt in Sicherheit, Bildung, Digitalisierung, Verkehr und Energie investieren. «Es an der Zeit, die Ärmel hochzukrempeln und ins Handeln zu kommen», sagte Schmidt-Kesseler.
Im vergangenen Jahr waren der Umsatz (-12,2 Prozent) und die Produktion (-7,9 Prozent) von Chemie- und Pharmaunternehmen in Ostdeutschland nach Angaben des Arbeitsgeberverbandes zurückgegangen. «Das Jahr 2023 hat wirtschaftlich auf der ganzen Linie enttäuscht. Und die guten Nachrichten für den Standort Deutschland bleiben auch weiterhin rar gesät», so Schmidt-Kesseler.
Ein wichtiger Hebel, um bestehenden Herausforderungen entgegenwirken zu können, seien erneuerbare Energie, so die Finanzwirtin. Deutschland habe den Ausstieg aus Kohle und Gas zwar vorverlegt, es aber nicht geschafft, die erneuerbare Energien entsprechend auszubauen. «Damit ist nicht nur unsere Wettbewerbsfähigkeit, sondern auch die Sicherheit der Energieversorgung gefährdet», sagte Schmidt-Kesseler. Auch sei es wichtig, Bauprojekte schneller umzusetzen.
Obwohl sich die in dem Verband zusammengeschlossenen Unternehmen derzeit in einer unsicheren Lage sehen, sei ihnen wichtig, die Standorte in Deutschland zu erhalten und auszubauen, sagte Schmidt-Kesseler. «Bei uns fühlt man sich den Beschäftigten gegenüber verpflichtet.» In der Chemie-Branche habe man jedoch noch die Hoffnung, «in Deutschland das Ruder rumreißen können», sagte Schmidt-Kesseler. Ende April stehen auch Tarifverhandlungen an. «Wir werden nicht einfach aufgeben. Das entspricht nicht dem Mindset der chemisch-pharmazeutischen Industrie.»
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