Unter dem Eindruck der bevorstehenden Landtagswahl in Thüringen hat am Mittwoch das Kunstfest Weimar begonnen, das in diesem Jahr einen besonders starken politischen Anspruch hat. «Wir versuchen, mit unserem Programm die Narrative von der extremen Rechten zu konterkarieren und wollen die Vielfalt feiern, die wir bedroht sehen», sagte Festival-Leiter Rolf C. Hemke. «Es geht um die Verfasstheit unserer Zivilgesellschaft und die Fragen danach, ob wir weiter eine lebendige Erinnerungskultur haben, ob wir den Feminismus weiter befördern, wie wir zur Zuwanderung und zur Inklusion von Menschen mit Handicaps stehen.»
Beteiligte aus der Ukraine, Russland und Taiwan
Der politische Anspruch des Festivals bezieht sich auch auf die Lage etwa in Russland, der Ukraine und in Taiwan. So wurde die Ausstellung «Das andere Russland» zur Geschichte der Menschenrechtsorganisation Memorial eröffnet. Die in Russland verbotene Organisation war 2022 mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet worden. Die Memorial-Mitbegründerin Irina Scherbakowa hat in diesem Jahr die Schirmherrschaft des Festivals in Weimar übernommen. Das Kyiv Symphony Orchestra beteiligte sich am Gedächtnis-Buchenwald-Konzert, mit dem das Kunstfest traditionell eröffnet wird.
Der Festival-Chef verwies auch auf den Länderschwerpunkt Taiwan. Von der Insel vor dem chinesischen Festland ist etwa das Cloud Gate Dance Theatre of Taiwan zu Gast. China zählt Taiwan zu seinem Territorium und droht, das Land auch unter Einsatz militärischer Mittel an sich binden zu wollen. In Taiwan selbst ist seit Jahrzehnten eine demokratisch gewählte Regierung an der Macht.
Schorsch Kamerun und Sandra Hüller blicken auf Lage in Thüringen
Das Kunstfest steht in diesem Jahr unter dem Motto «Wofür wir kämpfen». Es dauert bis zum 8. September. Mitten in die Festivalzeit fällt damit die Thüringer Landtagswahl am 1. September. Umfragen zufolge könnte die in Thüringen vom Verfassungsschutz als gesichert rechtsextremistisch eingestufte AfD mit rund 30 Prozent stärkste Kraft werden.
Zu den Formaten, die auch auf die politische Lage im Land blicken, gehört ein Projekt des Regisseurs und «Goldenen Zitronen»-Sängers Schorsch Kamerun: eine «Konzertante Wahlerinnerung im Galaformat mit Starbesetzung» am Abend vor der Landtagswahl. Kamerun will auf der Bühne mit weiteren Künstlern «eine Stimme abgeben gegen gesellschaftliche Spaltung und den Verlust von gegenseitiger Empathie.» Mit dabei ist die aus Thüringen stammende Schauspielerin Sandra Hüller, die in diesem Jahr für einen Oscar nominiert war.
Das unter dem Dach des Deutschen Nationaltheaters Weimar angesiedelte Festival gilt laut Veranstaltern als größtes für zeitgenössische Kunst in Ostdeutschland. Mehr als 140 Veranstaltungen aus zehn Sparten stehen in diesem Jahr auf dem Programm - darunter 22 Ur- und Erstaufführungen. 2023 kamen rund 41.000 Besucher.
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