Der neue Direktor des Goethe- und Schiller-Archivs in Weimar möchte die bedeutende Einrichtung besser für das digitale Zeitalter aufstellen. «Mit der Digitalisierung von Beständen machen wir diese einerseits rund um die Uhr verfügbar», sagte Christian Hain am Donnerstag in Weimar. Andererseits könnten so Angebote an die Forschung geschaffen werden, um Editionen computergestützt auszuwerten. «Die Wissenschaft wird völlig neue Fragen an die Bestände stellen können: Wie hat Goethe gearbeitet? Und vielleicht auch Provokatives wie: Hat Goethe plagiiert?»
Die umfassende Digitalisierung am Haus werde nun planmäßig angegangen. Ein wichtiger Schritt dafür sei etwa ein Texterkennungsprogramm gewesen, das in den vergangenen zwei Jahren eingeführt worden war, in denen Hain kommissarisch die Leitung des Hauses innehatte. Das Künstliche Intelligenz nutzende Programm habe zunächst von den Mitarbeitenden trainiert werden müssen. «Texterkennungsprogramme gibt es schon länger, aber wir arbeiten ja viel mit Handschriften», so Hain. Das Programm habe erst lernen müssen, diese zu erkennen. Inzwischen sei die Technik weiter.
Eins der großen Digitalisierungsprojekte läuft schon: Dokumente aus dem Leben von Johann Wolfgang von Goethe (1749-1832) - etwa Briefe und Tagebücher - sollen online zugänglich gemacht werden.
Das Archiv wurde 1896 errichtet. Das Haus ist laut Klassik Stiftung Weimar - zu der das Archiv gehört - das älteste Literaturarchiv in Deutschland. Dort werden mehr als 150 Nachlässe von Denkern, Autoren und Künstlern bewahrt. Aber auch die Archive von Verlagen finden sich dort. Der Nachlass Goethes zählt zum dokumentarischen Erbe der Unesco. Insgesamt umfasst der Bestand wohl mehr als fünf Millionen Blatt.
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Die Archivarbeit sei alles andere als trocken, sagte Hain. «Vielen ist gar nicht klar, welche Schätze und Potenziale hier liegen. Man entdeckt immer wieder etwas Neues.» Neue Erkenntnisse erhofft er sich auch davon, in der Arbeit mit den Beständen künftig einen stärkeren Fokus auf die Menschen in Goethes Umfeld zu legen. «Es geht um die Familie, um den Sohn August, die Schwiegertochter Ottilie und die Enkelgeneration.» Aber auch das Dienstpersonal - Schreiber, Kutscher, die Köchin - sollen bedacht werden. «Es sollen die Biografien und Lebensweisen sichtbar gemacht werden, die Goethe manchmal überstrahlt», so Hain.
Einen weiteren neuen Schwerpunkt möchte er auf die Bestände zum Komponisten Franz Liszt (1811-1886) legen. «Er war ein europäischer Superstar der damaligen Zeit», schwärmt Hain.
Auch die vergleichsweise jungen Bestände des Archivs möchte der promovierte Historiker genauer in den Blick nehmen. In 2200 Kästen lagern Dokumente aus dem 20. Jahrhundert, die aus dem Bestand der Vorgänger-Institution der Klassik Stiftung stammen. Dabei sei vor allem von Interesse, wie es die Einrichtung in der DDR geschafft habe, erfolgreich Projekte auch mit Partnern im Westen zu führen.
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