Die frühere Werkleitung des Theaters Erfurt hat Juristen zufolge mehrere Pflichten verletzt. Dies ist ein Zwischenergebnis eines weiteren Untersuchungsberichts zur Affäre an dem Theater. Vertreter der mit der Expertise beauftragten Anwaltskanzlei stellten ihre vorläufigen Erkenntnisse am Mittwoch in Erfurt vor.
Unter anderem seien über mehrere Jahre viele Verträge ohne den erforderlichen Beschluss des Werkausschusses vergeben worden, sagte Rechtsanwalt Jörg Hübner. «Das stellt natürlich Pflichtverletzungen der Werkleitungen dar.» Diese seien zwar nicht in Ordnung, genügten aber nicht, um die besonders hohen Anforderungen einer außerordentlichen fristlosen Kündigung zu rechtfertigen.
Zudem sei in mehreren Fällen das Mitbestimmungsrecht des Personalrats missachtet worden. Auch habe es die damalige Werkleitung versäumt, die Stadtverwaltung über die Missbrauchsvorwürfe zu informieren, so Hübner. Bei den übrigen Organen des Theater-Eigenbetriebs - also dem Oberbürgermeister, dem Stadtrat und dem Werkausschuss - seien bislang keine Pflichtverletzungen festgestellt worden. Die Untersuchungen liefen aber noch. «Wir waren uns sehr sicher, dass wir uns nichts vorzuwerfen haben», sagte Bausewein dazu am Mittwoch.
Die damalige Gleichstellungsbeauftragte der Stadt hatte die Vorwürfe sexuell motivierter Belästigungen und des Machtmissbrauchs am Theater im vergangenen Jahr öffentlich gemacht. Die Stadt gab daraufhin ein erstes Gutachten bei einer Berliner Anwaltskanzlei in Auftrag. Diese war laut Stadtverwaltung zu dem Schluss gekommen, dass es Verstöße gegeben habe, aber nichts davon als Straftat verfolgbar sei. Dennoch wurde die aus Generalintendant Guy Montavon und Verwaltungsdirektorin Angela Klepp-Pallas bestehende damalige Werkleitung des Theaters abberufen. Klepp-Pallas sollte laut früheren Aussagen der Stadtverwaltung eine andere Aufgabe übernehmen.
Montavon wurde freigestellt. Mit ihm soll ein Aufhebungsvertrag erarbeitet werden. Die Rechtsgrundlage dafür zu schaffen, ist auch Aufgabe der für das aktuelle Gutachten verantwortlichen Kanzlei. Wann dies gegebenenfalls möglich werde, sei schwierig zu sagen, so Hübner. Es hänge auch davon ab, wann das Rechnungsprüfungsamt seine parallel laufenden Untersuchungen zum Theater abschließe. Montavons aktueller Vertrag läuft bis 2027. Er ist seit 2002 Generalintendant in Erfurt.
Das neue Gutachten empfiehlt auch, den ersten Bericht nicht zu veröffentlichen, um die Rechte der mutmaßlich Betroffenen und mutmaßlichen Täter zu schützen. Bei den Ausgangsvorwürfen geht es etwa um mutmaßliche anzügliche Kommentare über das Äußere von Frauen, um Handgreiflichkeiten, sexualisierte Berührungen und Missbrauch von Machtstellungen. Der erste Bericht hatte weitere Fragen aufgeworfen - auch zum Umgang der Stadtverwaltung mit der Affäre. Der Stadtrat hatte daher die Stadt verpflichtet, eine weitere externe Untersuchung in Auftrag zu geben.
Das aktuelle Gutachten soll am Ende auch Vorschläge zur Verbesserung der wirtschaftlichen Situation des Theaters machen. Unter anderem hatten die mäßig ausgelasteten Domstufen-Festspiele im vergangenen Jahr ein Haushaltsloch von rund einer Million Euro verursacht.
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