Die Erfolge der AfD bei den Kommunalwahlen sorgen nach Einschätzung des Instituts für Demokratie und Zivilgesellschaft (IDZ) in Jena für eine weitere Normalisierung und Etablierung rechtsextremer Positionen in Thüringen. Die AfD, die in Thüringen als erwiesen rechtsextrem vom Verfassungsschutz beobachtet wird, habe sich neben der CDU als stärkste Partei etabliert, sagte der wissenschaftliche Leiter des IDZ, Axel Salheiser, am Mittwoch in Jena. Für die Kreistagswahl Saalfeld-Rudolstadt kündigte die AfD eine Wahlanfechtung an.
In den Kreis-, Stadt- und Gemeinderäten habe die AfD deutliche Zugewinne erreicht, während die CDU ihre Stimmenanteile gehalten und in einer Reihe von Städten ausgebaut habe. Das Institut überschrieb eine erste Analyse der Ergebnisse mit «Blaues Auge statt blauer Welle?».
Das Institut bezeichnete die Kommunalwahlergebnisse auch als «Ausdruck der Repräsentationskrise der etablierten demokratischen Parteien». Das gelte für Linke, Grüne, SPD und FDP, die Verluste erlitten. «Besonders in ländlichen Regionen setzen sich die Gemeinderatsfraktionen häufig ausnahmslos aus Wähler*innengemeinschaften und Bürgerinitiativen zusammen», heißt es in der Analyse. Dieser Trend setze sich auf Landkreisebene fort. Auf den Wahllisten für die Kreistage und Stadträte hätten mehr als 45 Wählergemeinschaften, Bündnisse und Initiativen gestanden.
AfD mit starker Bastion in Kreistagen
Für die extreme Rechte seien die Kommunalwahlen in Thüringen weder als voller Erfolg noch als Niederlage zu werten, heißt es in der Analyse weiter. «In einigen Regionen konnten die AfD und andere extrem rechte Parteien und Bündnisse große Gewinne verzeichnen, teilweise blieben sie jedoch hinter den Prognosen zurück.» Neun Kandidaten der rechtsextremen Thüringer AfD gingen in die Stichwahl um die Landratsämter; in Hildburghausen der Neonazi Tommy Frenck für sein «Bündnis Zukunft Hildburghausen».
Im Kreis Sonneberg, wo die AfD 2023 bundesweit ihre erste Landratswahl gewann, verfüge die Partei nun über die stärkste Fraktion im Kreistag. Insgesamt stelle die AfD in 9 von 22 Kreistagen und Stadträten der kreisfreien Städte jetzt die größte Fraktion, in 10 die zweitgrößte. «Damit hat sich die Etablierung und Normalisierung der AfD in Thüringen fortgesetzt», so das Fazit der Demokratieforscher. Ihr Ziel, sich in der Fläche stärker aufzustellen, habe sie erreicht, sagte Salheiser.
Chancen für AfD-Landräte sieht das Institut laut Salheiser im Altenburger Land, wo der AfD-Kandidat mit dem stärksten Ergebnis in die Stichwahl am 9. Juni gehe, sowie im Saale-Holzland-Kreise, wo der Abstand zum demokratischen Bewerber verhältnismäßig gering sei. Zudem sei sie in der Kreisstadt Apolda sowie in Zeulenroda-Triebes in der Stichwahl um das Oberbürgermeisteramt.
Vorläufiges Endergebnis: CDU knapp vorn
Nach dem vorläufigen Endergebnis, das der Landeswahlleiter veröffentlichte, ist die CDU bei den Wahlen der Kommunalparlamente in den Kreisen und kreisfreien Städten stärkste Partei geworden. Die Christdemokraten erhielten nach Auszählung aller Stimmbezirke landesweit 27,2 Prozent der Stimmen, die AfD kam auf 25,8 Prozent. Damit behauptete die CDU in Thüringen ihre Rolle als Kommunalpartei. Allerdings wurde sie in mehreren Landkreisen von der AfD überholt.
Die SPD kam auf 11,6 Prozent, die Linke von Ministerpräsident Bodo Ramelow auf 9,1 Prozent, die Grünen auf 4,1 Prozent und die FDP auf 2,6 Prozent. Wählergruppen und Initiativen wurden mit einem Stimmenanteil von 19,5 Prozent angegeben. Die Wahlbeteiligung lag bei 62,7 Prozent und damit höher als vor fünf Jahren (60,3 Prozent).
Im Vergleich zu den Kreistags- und Stadtratswahlen der kreisfreien Städte von 2019 verbuchte die AfD mit einem Plus von 8,1 Prozentpunkten die kräftigsten Zuwächse. Die CDU hielt sich stabil (-0,1 Prozentpunkte). Die Parteien der rot-rot-grünen Landesregierung verloren deutlich an Zustimmung: Die Linke verbuchte ein Minus von 4,9 Prozentpunkten, die SPD lag 1,8 Prozentpunkte hinter ihrem Ergebnis von 2019 und die Grünen mussten ein Minus von 3,4 Prozentpunkten verkraften.
Querelen im Kreis Saalfeld-Rudolstadt
Die Kreistagswahl in Saalfeld-Rudolstadt will die AfD nach Angaben von Parteivize Torben Braga anfechten. «Es muss im Vordergrund stehen, dass hier unter falschen Voraussetzungen, unter Prämissen, eine Wahl stattgefunden hat. Der Wähler wurde also nach unserer Überzeugung objektiv getäuscht», sagte Braga. Hintergrund ist ein lokaler Streit in der AfD, der Wochen vor der Wahl über eine Liste mit Kandidaten für die Kreistagswahl entbrannt war.
Der Thüringer AfD-Landesverband mit seinem Chef Björn Höcke wollte erreichen, dass die bereits erstellte Liste annulliert und eine neue aufgestellt wird. Die Kandidaten weigerten sich aber. Schließlich wurde eine zweite, konkurrierende AfL-Liste erstellt - Alternative für den Landkreis. Das führte zu der skurrilen Situation, dass AfD-Landesparteichef Höcke die AfL-Liste unterstützte statt jene mit offiziellem AfD-Namen. Die Liste rund um Frosch landete nach Auszählung aller Stimmbezirke mit 18,6 Prozent vor der AfL-Liste mit 13,7 Prozent.
Braga sagte, es gehe darum, dass eine Partei nicht missbraucht werden könne «für persönliche Zwecke und aus persönlichen Befindlichkeiten einer Hand voll Personen». Wenn sich der Streit durch die Anfechtung verlängere, müsse dies aus seiner Sicht in Kauf genommen werden.
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