Anlässlich des 75. Jahrestags der Grundgesetz-Verkündung schlägt Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) vor, das Regelwerk per Volksabstimmung zur deutschen Verfassung zu machen. Ein solcher Schritt würde in Ostdeutschland eine «emotionale Fremdheit» gegenüber dem Grundgesetz überwinden helfen, erklärte der Linken-Politiker in der «Frankfurter Allgemeinen Zeitung» (Dienstag).
Ramelow wies darauf hin, dass ein solcher Schritt im Artikel 146 bereits angelegt ist. Der Artikel befristet die Gültigkeit des Grundgesetzes auf den Tag, «an dem eine Verfassung in Kraft tritt, die von dem deutschen Volke in freier Entscheidung beschlossen worden ist». Der 75. Jahrestag steht am Donnerstag an, er bezieht sich auf die Verkündung des Grundgesetzes durch den Parlamentarischen Rat 1949.
Eine Volksabstimmung sei auch nötig, weil es viele Verschwörungstheoretiker, Reichsbürger «und andere Schwurbler» gebe, die alle aus Artikel 146 herleiteten, dass es die Bundesrepublik nicht gebe, erläuterte Ramelow. «Dann ist es klar, dass all die Schreihälse nur eine radikale Minderheit sind.» Größere inhaltliche Änderungen wünscht er sich nicht: «Ich will keine neue, ganz andere Verfassung.»
Ramelow nannte es auch richtig, dass 1990 die Wiedervereinigung durch einen raschen Beitritt der ostdeutschen Länder zur Bundesrepublik vollzogen und nicht erst die Erarbeitung einer gemeinsamen Verfassung abgewartet wurde. «Wenn Deutschland diesen Weg nicht gegangen wäre, dann hätten die Bedenkenträger und Skeptiker unter unseren Nachbarn wohl die Oberhand gewonnen», sagte er. «Aber die Frage nach einer Verfassung nach Artikel 146 ist trotzdem offen. Das ist der zweite Schritt. Und dieser Schritt fehlt bis heute.»
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