Mehr als 20.000 Gebäude, Wohnungen und andere Adressen in Thüringen sind nach einer Untersuchung des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) hochwassergefährdet. Thüringen gehöre nach Sachsen und vor Rheinland-Pfalz zu den Bundesländern mit dem höchsten Anteil gefährdeter Gebäude, zu denen Wohnhäuser, gewerbliche Bauten, landwirtschaftliche oder öffentliche Gebäude gehören, teilte der GDV am Dienstag in Berlin mit. Die Untersuchung zeige das Katastrophenpotenzial.
Danach liegen von den knapp 620.000 Adressen in Thüringen mehr als 20 000 in einem vorläufig gesicherten oder amtlich festgesetzten Überschwemmungsgebiet beziehungsweise in sogenannten Hochwassergefahrenflächen.
Bundesweit zweithöchster Anteil gefährdeter Gebäude
Damit seien rund 2,7 Prozent der Gebäude im Freistaat durch Hochwasser gefährdet. In Sachsen seien es 3,0 Prozent, in Rheinland-Pfalz 2,0 Prozent. Am wenigsten betroffen seien Schleswig-Holstein, Hamburg und Berlin mit Werten unter 0,2 Prozent.
Innerhalb Thüringens registrierte die Untersuchung große regionale Unterschiede. Die meisten hochwassergefährdeten Gebäude liegen prozentual danach in Gera - von den knapp 17.000 Adressen sind es rund 1600. Das entspreche einem Anteil von 9,7 Prozent. Es folgten die Landkreise Hildburghausen und Schmalkalden-Meiningen mit 1900 (8,3 Prozent) beziehungsweise knapp 2500 (5,6 Prozent) Adressen in Überschwemmungsgebieten.
Viele Projekte zum Hochwasserschutz
Nach Angaben des Thüringer Umweltministeriums wurden nach großen Hochwasserschäden in Gera im Jahr 2013 umfangreiche Maßnahmen an der Weißen Elster und damit auch in Gera geplant, deren Umsetzung noch nicht vollständig abgeschlossen ist. Durch neugebaute Hochwasserschutzanlagen werde der Anteil der potenziell von Hochwasser gefährdeten Häuser deutlich sinken. Der Landkreis Hildburghausen sei insbesondere durch Hochwasser in der Oberen Werra gefährdet. Es seien in den vergangenen Jahren Hochwasserschutzanlagen in Harras und Eisfeld errichtet worden.
Das Landesprogramm Hochwasserschutz umfasse bis 2027 mehr als 900 Vorhaben, sagte ein Ministeriumssprecher. 400 Millionen Euro umfasse das gesamte Programm, das seit einigen Jahr läuft.
Versicherer sehen Pflichtversicherung skeptisch
«Obwohl die Zahlen amtlich und öffentlich bekannt sind, steht Prävention nicht auf der politischen Tagesordnung, sondern nur die Debatte um die Einführung einer Pflichtversicherung gegen Naturgefahren», kritisierte die stellvertretende GDV-Hauptgeschäftsführerin Anja Käfer-Rohrbach. Durch den Klimawandel und damit häufiger auftretende Wetterextremen seien Schäden in Milliardenhöhe nicht nur in Thüringen vorprogrammiert. Die Versicherer hätten deshalb einen Forderungskatalog an die Politik gerichtet.
Die auch von der Thüringer Landesregierung geforderte Pflichtversicherung trägt aus Sicht der Versicherer nicht zur Lösung des Problems bei. «Mit einer reinen Versicherungslösung werden die hierfür notwendigen Kosten überwiegend den Immobilienbesitzenden und der Versichertengemeinschaft aufgebürdet», äußerte Käfer-Rohrbach. Thüringens Umweltministerium bezeichnete die Debatte zur Einführung der Pflichtversicherung dagegen als einen Baustein zur Verbesserung der Hochwasservorsorge.
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