Thüringens Rechnungshof hat ein Stoppsignal an Regierung und Parlament beim Geldausgeben geschickt: Das Land lebe über seine finanziellen Verhältnisse. Ausgaben und Einnahmen müssten ins Lot gebracht werden. Sonst drohe ab 2025 ein Haushaltsloch von jährlich etwa einer Milliarde Euro, geht aus dem Jahresbericht der Finanzkontrolleure hervor, den Rechnungshofpräsidentin Kirsten Butzke am Montag in Rudolstadt vorlegte. «Das ist ein sehr, sehr großes Loch», sagte sie. Zudem müsse in vielen Bereichen besser kontrolliert werden, wie das Geld der Steuerzahler eingesetzt werde.
Erstmals seit 2011 - die beiden Corona-Jahre nicht berücksichtigt - habe Thüringen im vergangenen Jahr mit einem Defizit von 327 Millionen Euro geschlossen. Es konnte nur mithilfe der Finanzrücklage des Landes ausgeglichen werden, wie es in dem Bericht heißt.
Butzke: Ampel steht auf Rot
«Es ist höchste Zeit, die Haushaltsplanung realistisch zu gestalten und Strategien zu erarbeiten, um unter den künftigen Rahmenbedingungen die Handlungsfähigkeit des Freistaats sicherzustellen», so die Präsidentin. Bei den Ausgaben stehe die Ampel auf Rot: «Die Ausgaben müssen zurückgeführt werden auf das Vorkrisenniveau.».
Thüringens finanzielle Lage habe sich 2023 nicht nur zum Vorjahr, sondern auch im Ländervergleich verschlechtert. «Die Einnahmen wachsen nicht mehr so stark.» Aufgabe der Landespolitik sei es, künftig Etats aufzustellen, ohne in die Rücklage greifen zu müssen. Dafür seien Prioritäten zu setzen. Die Einsetzung einer Haushaltsstrukturkommission könne da nur ein erster Schritt sein, sagte Butzke.
Ausgaben wachsen auf 13,5 Milliarden Euro
Im vergangenen Jahr hatte Thüringen einen beschlossenen Landeshaushalt mit einem Volumen von rund 13,1 Milliarden Euro. In diesem Jahr sollen die Ausgaben auf mehr als 13,5 Milliarden Euro steigen. Laut Mai-Steuerschätzung muss das Land mit 112 Millionen Euro weniger an Steuereinnahmen auskommen als zunächst erwartet. 2025 sollen es 90 Millionen Euro weniger sein.
Beim Wirtschaftswachstum stand das Land laut Bericht im vergangenen Jahr mit einem minimalen Rückgang von 0,2 Prozent im Ländervergleich noch relativ gut da. Beim Bruttoinlandsprodukt pro Einwohner sah das jedoch anders aus: Mit 38.167 Euro pro Einwohner war Thüringen Schlusslicht.
Die Opposition sieht sich durch den Rechnungshof in ihrer Kritik an der Haushaltsführung der rot-rot-grünen Minderheitskoalition bestätigt. Der CDU-Haushaltspolitiker Maik Kowalleck warf der Regierung vor, Thüringen sehenden Auges in die Handlungsunfähigkeit zu steuern. FDP-Gruppensprecher Thomas Kemmerich erklärte, Thüringen stehe nach der Landtagswahl am 1. September vor der Aufgabe, die Landesfinanzen zu konsolidieren.
Laxer Umgang mit Steuergeldern
Der Rechnungshof listete in seinem Jahresbericht auch eine Reihe von Fällen auf, wo es seiner Meinung nach an Kontrolle fehlt, aber auch ein Erfolgsbeispiel.
Der Kulturstiftung des Landes bescheinigte er Mängel beim Umgang mit ihren Finanzen und der zuständigen Staatskanzlei Kontrollversäumnisse. Jährlich erhalte die Stiftung für ihre Neuausrichtung mehr als eine Million Euro aus der Landeskasse. Der Rechnungshof habe bei einer Prüfung festgestellt, «dass die Staatskanzlei zwar mehr Fördermittel an die Kulturstiftung ausreichte, jedoch bislang die damit verfolgte Zielerreichung ungeprüft ließ».
Den Umgang von Bafög-Anträgen durch das Studierendenwerk kritisierte der Rechnungshof als «umständlich, komplex, langwierig sowie personal- und kostenintensiv (rund 4,1 Mio. Euro jährlich)». Für die Studierenden stellten die jährlichen Anträge auf Bafög-Förderung eine hohe bürokratische Hürde dar. Fehlende Kontrolle monierten die Finanzprüfer unter anderem auch bei der Förderung häuslicher Pflege. Mehr Geld sollte es laut Rechnungshof für das Netz der Landesstraßen geben, das sich seit 2012 deutlich verschlechtert habe.
Und es gab ein Lob: Einsparungen von zehn Millionen Euro bescheinigte der Rechnungshof dem Landesverwaltungsamt durch bessere Kontrollen der Zahlungen an Nahverkehrsgesellschaften im Zeitraum von 2017 bis 2023. Dabei ging es um die Erstattung von freien Fahrten für behinderte Menschen, bei denen die Unternehmen in der Vergangenheit offenbar zu viele Fälle ausgemacht hatten.
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