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Ost-West-Debatte im Vorfeld der Landtagswahlen

Ilko-Sascha Kowalczuk, Historiker und Publizist, diskutiert in Chemnitz. In der westsächsischen Stadt ist die Gesprächsreihe «Das wird man ja wohl noch sagen dürfen - Meinungsfreiheit und Demokratie» gestartet. / Foto: Hendrik Schmidt/dpa
Ilko-Sascha Kowalczuk, Historiker und Publizist, diskutiert in Chemnitz. In der westsächsischen Stadt ist die Gesprächsreihe «Das wird man ja wohl noch sagen dürfen - Meinungsfreiheit und Demokratie» gestartet. / Foto: Hendrik Schmidt/dpa

Historiker Kowalczuk kritisiert negative Prägung der Ost-West-Debatte und betont Gewinne der Ostdeutschen. Diskussion über Meinungsfreiheit und Demokratie.

Die Ost-West-Debatte ist nach Ansicht des Historikers Ilko-Sascha Kowalczuk viel zu sehr von negativen Aspekten geprägt. Die Gewinne der Ostdeutschen würden viel zu kurz kommen, sagte er in einer Podiumsdiskussion mit dem Soziologen Dirk Oschmann in Chemnitz. Die Entwicklung seit der Wende sei nicht nur eine Verlust- und Niedergangsgeschichte, sondern eine «Gewinngeschichte». 

Kowalczuk warf Oschmann indirekt vor, mit seiner Streitschrift «Der Osten: eine westdeutsche Erfindung» einen «Wutseller» geschrieben zu haben. Das Buch habe einen unversöhnlichen Ton, einen Resonanzraum ausgefüllt und entwerfe ein Opfernarrativ. Der frühere Bundeskanzler Helmut Kohl (CDU) habe den Ostdeutschen ein Wohlstandsversprechen gegeben, an dass die Leute geglaubt hätten. Es habe überspannte Erwartungen der Menschen an den Staat gegeben. Der Osten habe mit der Demokratie gefremdelt. 

Nach Ansicht von Oschmann haben viele Menschen im Osten nach der Wende Demokratie und Freiheit als eine «Verarmungserfahrung» erlebt. In Westdeutschland sei durch den Marshallplan nach dem Zweiten Weltkrieg die Freiheit dagegen als Bereicherung erfahren worden. Durch die Art des Herabwürdigens sei ein kollektives Subjekt im Osten entstanden, die Gruppe der Ostdeutschen beschädigt worden. Das habe etwas mit den Menschen gemacht. «Der Osten wird kontinuierlich entwertet.» 

Bei der Diskussion sollte es in erster Linie um die Diskrepanz zwischen gefühlter und tatsächlicher Meinungsfreiheit gehen. Beide Diskutanten wurden zuerst danach gefragt, ob es Meinungsfreiheit in Deutschland auch wirklich gebe. Oschmann sah die Meinungsfreiheit «formal-juristisch» gegeben. Mit der «Durchpolitisierung» und «Durchmoralisierung» der Sprache im Alltag entstehe der Eindruck, man könne nicht mehr alles sagen. 

«Wir leben in einem der freiesten Länder der Welt», sagte Kowalczuk. Das sei vielen Menschen in kleinlichen Debatten nicht klar. Zur Meinungsfreiheit gehöre die Lust und Bereitschaft, miteinander zu streiten. Sahra Wagenknecht sitze zwar in fast jeder Talkshow, behaupte aber, ihre Meinung nicht sagen zu können. AfD und das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) würden den Menschen einen autoritären Staat versprechen, das komme im Osten gut an. Die Leute suchten in Zeiten der Verunsicherung einen Haltepunkt und würden deshalb die Vergangenheit verklären. 

Die Veranstaltungsreihe unter dem Titel «Das wird man ja wohl noch sagen dürfen – Meinungsfreiheit und Demokratie» wird von der Autorenvereinigung Pen Berlin ausgerichtet und findet mit 37 Ausgaben in Sachsen, Thüringen und Brandenburg statt. Dazu sind 118 Autoren, Journalisten und Künstler eingeladen - von Pinar Atalay bis Juli Zeh. In Sachsen und Thüringen wird am 1. September ein neuer Landtag gewählt, in Brandenburg am 22. September. 

 

 

 

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